Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada. | |
Die Themen dieser Woche:
- Wachsende politische Einflussnahme auf Hochschulen in den USA
- Was wurde aus Harvards und MITs edX?
- Meritokratie in der Hochschulzulassung und die Rolle standardisierter Tests darin
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
wir befassen uns dieser Ausgabe mit einer vor allem in konservativ regierten US-Bundesstaaten wachsenden politischen Einflussnahme auf Hochschulen und mit der Frage, was aus der gemeinsam von Harvard University und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelten Onlineplattform edX geworden ist. Wir werfen zudem einen Blick auf das bemerkenswerte Verhältnis von standardisierten Hochschulzulassungstests zum Anspruch der Hochschulen, rein meritokratisch über Zulassung entscheiden zu wollen, und – wie immer – auf verschiedene Kurzmeldungen.
Ich wünsche eine interessante Lektüre.
Herzliche Grüße,
Stefan Altevogt
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Wachsende politische Einflussnahme auf Hochschulen in den USA | |
Ein Beitrag auf Inside Higher Education befasst sich mit der wachsenden Einflussnahme der Politik auf Hochschulen vor allem in republikanisch regierten Bundesstaaten wie Florida, Texas oder Tennessee. Aktueller Anlass des Beitrags ist der Widerstand von mittlerweile mehr als 700 Professorinnen und Professoren der öffentlich finanzierten University of North Carolina at Chapel Hill gegen die Einrichtung einer vom Hochschulrat und von der Parlamentsmehrheit des Bundesstaates favorisierten „School of Civic Life and Leadership“, in der Inhalte vermittelt werden sollten, die „rechts“ von der politischen Mitte der Hochschule lägen. In einem offenen Brief beklagten die Unterzeichner, dass mit der geplanten School gegen den Willen der Fakultätsmitglieder der Wunsch des Board of Trustees (BOT) durchgesetzt werde und dass die School inmitten finanzieller Sparmaßnahmen mit $4 Mio. ausgestattet werden solle. Dies sei ein klarer Verstoß gegen den etablierten Grundsatz, dass eine Hochschule akademisch und nicht politisch gesteuert werden solle.
Der offene Brief kritisiert über die geplante Einrichtung der „School of Civic Life and Leadership“ hinaus zwei Gesetzesvorhaben im Bundesstaat, nämlich die House Bill 715, mit der die Entfristung (Tenure) von Professorinnen und Professoren abgeschafft werden und dem BOT des Hochschulsystems die Möglichkeit gegeben werden solle, Studienfächer und die mit ihnen verbundenen Fakultätsmitglieder regelmäßig zu evaluieren und ggf. auch zu streichen.
Weiterhin kritisiere das Schreiben die Ziele der House Bill 96, mit der der Gesetzgeber die Voraussetzungen eines Studienabschlusses an öffentlich finanzierten Hochschulen mit dem verbunden wissen wolle, was die republikanische Mehrheit für „staatsbürgerliches Grundwissen“ halte, nämlich ein Fokus weg von den Themen „Diversity, Equity and Inclusion (DEI)“ hin zu darstellender Verfassungsgeschichte. Dazu heißt es im Schreiben: „H.B. 96 violates core principles of academic freedom. It substitutes ideological force-feeding for the intellectual expertise of faculty.”
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Sie finden den offenen Brief hier.
Der Chronicle of Higher Education befasst sich derweil mit Protesten am New College of Florida, wo sich der Hochschulrat mit jeweils sechs zu vier Stimmen gegen die Entfristung von fünf Professorinnen und Professoren ausgesprochen habe. Es heißt zum Verlauf der Sitzung des BOT: „Dozens of professors, students, and parents lambasted what they view as a hostile takeover of the institution by a Republican governor with likely presidential ambitions. It ended with the chairman of the faculty resigning from the college.”
Gewöhnlich schließe sich ein BOT den Tenure-Empfehlungen der Fakultäten an, doch am New College, der kleinsten Hochschule im öffentlich finanzierten Universitätssystem des Bundesstaates Florida, herrsche ein neuer Wind, seit sich Gouverneur Ron DeSantis für Inhalte an Hochschulen zu interessieren begonnen habe. Er habe sechs seiner Vertrauensleute in den zehn Mitglieder umfassenden Hochschulrat entsandt und dafür gesorgt, dass zum einen die Präsidentin der Hochschule und die Diversitätsbeauftragte entlassen worden sei, zum anderen – wie DeSantis zu betonen nicht müde werde – Critical Race Theory (CRT) und DEI an der Hochschule „eliminated“ worden seien, was auch immer das hieße.
Konstruktiv wolle das New College unter Führung des Interimspräsidenten Richard Corcoran, ehemaliger Sprecher der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus von Florida und Verbündeter von DeSantis, zu einem Leuchtturm republikanisch angehauchter Liberal Arts Education in Florida werden, die Studierendenzahl von derzeit 700 verdreifachen und sich ein erfolgreiches Sportprogramm zulegen. Diese Ambitionen würden allerdings weder von Studierenden, noch von Fakultätsmitgliedern oder Alumni unwidersprochen geteilt. Es heißt zu deren Verhältnis zur neuen Mehrheit im Hochschulrat: „The trustees absorbed statement after statement from those worried and angry about the proposed reforms at the college. Perhaps the best-known trustee appointed by DeSantis, Christopher Rufo – who has called for conservatives to ‘lay siege to institutions’ in order to rid them of left-wing activists – attended remotely and was visible on a projection screen behind the other board members. He hovered over the proceedings silently, except for voting ‘aye’ in lockstep with his fellow DeSantis appointees.”
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In einem mit „This Is What the Right-Wing Takeover of a Progressive College Looks Like” überschriebenen Beitrag für die New York Times kommentiert Michelle Goldberg die Entwicklungen am New College mit den Worten: „Rufo, the ideological entrepreneur who made critical race theory a Republican boogeyman, was open about his ambition to turn the quirky, L.G.B.T.Q.-friendly liberal arts school into a public version of Hillsdale, a conservative Christian college in Michigan with close ties to both DeSantis and Donald Trump. He hoped the transformation would be proof of concept for his dream: a conservative takeover of higher education across the country.”
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Was wurde aus Harvards und MITs edX? | |
Ein Beitrag auf Inside Higher Education geht der Frage nach, was aus edX geworden sei, der gemeinsam von Harvard University und dem MIT entwickelten Onlineplattform für Massive Open Online Courses (MOOCs) von mittlerweile über 160 Partnerhochschulen, darunter auch die TU München und die RWTH Aachen. Vor knapp zwei Jahren sei das 2012 mit einem Kostenaufwand von $80 Mio. gegründete edX an die Firma 2U für $800 Mio. verkauft worden und um diesen Wertzuwachs sei jetzt zwischen Harvard und MIT auf der einen Seite und anderen Hochschulen, die auch zum Erfolg und entsprechend zum Wertzuwachs von edX beigetragen hätten, ein Streit entbrannt. Harvard und MIT hätten den beim Verkauf entstandenen Geldsegen seinerzeit als Möglichkeit gefeiert, die Zukunft des Lernens für Menschen in allen Lebensphasen neu zu gestalten, Bildungsungleichheiten zu bekämpfen und den nächsten Schritt hinsichtlich Lernerfahrungen und –plattformen zu machen. Nun wollten beide Hochschulen dieses Versprechen einlösen und hätten dazu das „Axim Collaborative“ gegründet, zu der es heißt: „The new nonprofit was funded from edX’s sale and aims to improve educational outcomes and employment pathways for underserved students.“ In einer E-Mail an Inside Higher Education erläutere die Geschäftsführerin von Axim, Stephanie Khurana, dies mit den eher allgemein gehaltenen Worten „Axim Collaborative aims to be a catalyst in the education ecosystem“ und der ebenfalls allgemein gehaltenen Problembeschreibung „Millions of students today seek postsecondary education and a job with a pathway to economic mobility but face barriers and need new approaches to realize their aspirations.”
Der Beitrag legt den Verdacht nahe, dass Axim nur eine gemeinnützige Fassade sei, um den ansonsten für gemeinnützige Einrichtungen wie Harvard und MIT nicht verbuchbaren Gewinn aus dem Verkauf von edX unterbringen zu können, und verweist darauf, dass von den 510 Worten auf der Axim-Webseite der mit 400 Worten weit überwiegende Anteil Namen und Titeln und den Biografien der Mitglieder des Board of Trustees gewidmet seien.
Einer der lautesten Skeptiker von Axim sei derzeit Steve Mintz, Geschichtsprofessor an der University of Texas in Austin und seinerzeit verantwortlich für eine Beteiligung der Hochschule am Gründungskapital von edX in Höhe von $5 Mio. und aus nachvollziehbaren Gründen enttäuscht darüber, dass der Gewinn aus dem Verkauf durch Harvard und MIT nicht geteilt oder wenigstens einem gemeinnützigen Zweck zugeführt wurde. Er wird mit den Worten zitiert: „Their return on investment – put in $80 million and get $800 million – that is a really good return. Putting in $5 million and getting no return, that’s not a good return.”
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Meritokratie in der Hochschulzulassung und die Rolle standardisierter Tests darin | |
In einem Beitrag für die New York Times widmet sich Ross Douthat der Frage, was von den meritokratischen Zielen US-amerikanischer Hochschulen übrig bleiben würde, nachdem mittlerweile mehr als 80% der Colleges des Landes die standardisierten Testverfahren SAT und ACT „optional“ in ihren Zulassungsverfahren gemacht hätten, sie also nicht mehr zur Beurteilung der akademischen Leistungsfähigkeit von Studienbewerbern heranziehen würden. Seit Einführung solcher Tests gegen Mitte des 20. Jahrhunderts seien sie untrennbar mit dem meritokratischen Argument verbunden gewesen, Elitehochschulen, in die nur Kinder aus den Oberschulen einer exklusiven Oberschicht aufgenommen würden, zu jenen „Multiversities“ zu machen, die prinzipiell für alle offen stünden. Der SAT sollte dabei mit einem objektiven, weil numerischen Nachweis helfen, die Begabtesten eines jeweiligen Jahrgangs ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Herkunft herauszufiltern.
Es gäbe allerdings auch schon immer Skeptiker aus allen Ecken des politischen Spektrums, die vor allem darauf hinwiesen, dass trotz SAT und ACT die Anfängerklassen von hochselektiven Colleges gesellschaftlich nicht deutlich diverser geworden seien, weil eben in solchen Tests nicht nur die intellektuelle Leistungsfähigkeit gemessen würde, sondern auch in erheblichen Teilen die wirtschaftlichen Möglichkeiten zur Vorbereitung auf die Tests, ob nun über die Qualität der schulischen Ausbildung, die Qualität der Vorbereitung auf den Test oder beides. Er schreibt: „And according to some of the SAT’s critics, it’s precisely this criticism that’s motivating the current shift away from standardized tests – the idea that they’re inherently biased toward kids from well-off families and that a more holistic definition of merit will open more opportunities for the meritorious poor and middle class.”
Doch würde Douthat seinem Ruf nicht gerecht, würde er keine zynischeren Hintergründe aufdecken wollen, und so macht er auf eine bemerkenswerte zeitliche Abfolge aufmerksam, in der er eine Kausalität erkennt. Die SAT-Ergebnisse von Studienbewerbern mit asiatischem Migrationshintergrund seien bis zu einem Punkt angestiegen, an dem Elite-Hochschulen beschuldigt wurden, gegen die SAT-Ergebnisse zu entscheiden und ihre Entscheidungsgründe „holistisch“ zu nennen, um auf der einen Seite nicht in Verdacht zu geraten, gegen Asian-Americans zu diskriminieren, und auf der anderen Seite noch ethnisch einigermaßen ausgewogene Studierendenjahrgänge zu bekommen. Er schreibt: „So universities are pre-emptively abandoning a metric that might be used against them in future litigation, not for the sake of widening opportunity but just in the hopes of sustaining the admissions status quo.”
Sein zweites Argument für die Beibehaltung von standardisierten Tests wie SAT und ACT sei, dass ihre Ergebnisse deutlich geringer vom sozioökonomischen Status der Getesteten abhingen, als von vielen Kritikern behauptet und dies vor allem relativ der Fall sei, wenn man also standardisierte Tests mit den anderen Kriterien in „ganzheitlichen“ Zulassungsentscheidungen vergleichen würde. Der College Essay – sollte er ChatGPT überleben – sei deutlich stärker als der SAT vom sozioökonomischen Umfeld der Bewerberin und des Bewerbers abhängig, das gleiche gelte für die mit außerschulischen Aktivitäten aufgeladenen Lebensläufe und die College Interviews. Wenn es also jemand gäbe, der vom Bedeutungsverlust von SAT und ACT profitieren könne, dann seien es vor allem Sprösslinge reicher Familien, während für unterprivilegierte Schichten eine mögliche Trittleiter zum gesellschaftlichen Aufstieg fehle.
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Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education zitiert jüngste Zahlen der College and University Professional Association for Human Resources (CUPA-HR), denen zufolge Angestellte in den Zulassungsstellen der Hochschulen eine deutlich überdurchschnittliche Fluktuationsrate hätten und zum weit überwiegenden Anteil (71%) auf Berufserfahrungen von drei Jahren und weniger zurückgreifen könnten. Es heißt: „Colleges’ financial futures, after all, depend on admissions officers, many of whom are early-career professionals who are working lots and being paid little.”
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Ein Erfahrungsbericht im Chronicle of Higher Education verdeutlicht, was die Arbeit in den Zulassungsstellen der Hochschulen so belastend mache, nämlich, dafür zu sorgen, dass die auch wirtschaftlichen Ziele der jeweiligen Hochschule erreicht würden, „the Number“. Es heißt: „The Number is generally the starting point of your institution’s budget process; it’s usually expressed as an enrollment target (for example, 800 new first-year students, 100 new undergraduate transfers, and 250 new graduate students) or sometimes a revenue figure (like a total net revenue of $75,000,000, or average net revenue for undergraduates of $22,000). For most institutions these numbers serve as the place you plant your feet, before you decide anything else in the month-long process of developing a budget.”
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Universities Canada meldet den Beginn einer mitgliederweiten Nachhaltigkeits-Initiative, der „Action for net zero“, und schreibt in der Pressemitteilung: „Canada’s universities play a leading role in fighting climate change, by educating the next generation of climate leaders, broadening our understanding of climate change and its impacts, developing sustainable technologies and implementing climate-friendly measures on campus. This new initiative, organized by Universities Canada, will unite Canadian universities in a coordinated effort to mitigate and address the impact of climate change.”
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Die University of Waterloo meldet ein Memorandum of Understanding mit den französischen National Institute for Research in Digital Science and Technology (INRIA) und sieht in der Übereinkunft ein sichtbares Zeichen wachsender Zusammenarbeit zwischen französischen und kanadischen Einrichtungen in der zukunftsweisenden Informations- und Kommunikationstechnologie. Es heißt: „INRIA is a leading organization with similar values to Waterloo, and this partnership means Waterloo will also benefit from INRIA’s connection to the French National Centre for Scientific Research (CNRS) which is internationally recognized for excellence in scientific research.”
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Der Chronicle of Higher Education meldet Pläne des US-Verteidigungsministeriums, eine Ausnahmeregelung für Hochschulen in Erwägung zu ziehen, die weiterhin ein von der chinesischen Regierung finanziertes und kontrolliertes Konfuzius Institut auf dem Campus dulden wollten, ohne von Forschungsförderung durch das Pentagon abgeschnitten zu werden. Die Meldung spricht von ehemals 120 Konfuzius Instituten in den USA, von denen nur noch sieben auf einem Hochschulcampus aktiv seien und nur zwei hätten finanzielle Beziehungen zum Pentagon. Allerdings gehe man angesichts der politischen Stimmung im Land nicht davon aus, dass von einer solchen Ausnahmegenehmigung Gebrauch gemacht würde, noch davon, dass geschlossene Konfuzius Institute wiedereröffnet oder gar neue gegründet würden. Es heißt weiter: „In fact, Congress last year approved a similar ban on National Science Foundation funds going to colleges that host the centers.
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