Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada. | |
Die Themen dieser Woche:
- Top Stories in American Higher Education, Teil 2
- Spenden und Einfluss an Hochschulen
- Antisemitismusdebatte an US-Hochschulen
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
wir befassen uns der letzten Ausgabe des Jahres mit den laut Robert Kelchen Top Five Stories aus der amerikanischen Hochschullandschaft und mit dem hohen Spendenaufkommen an US-Hochschulen – freilich überwiegend im Spitzensegment der Landschaft – und mit dem einhergehenden Einfluss. Wir werfen zudem einen Blick auf mögliche Folgen der Antisemitismusdebatte an US-Hochschulen und – wie immer – auf verschiedene Kurznachrichten.
Ich wünsche Ihnen besinnliche Feiertage, einen guten Übergang in ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2024 und eine interessante Lektüre.
Herzliche Grüße,
Stefan Altevogt
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Top Stories in American Higher Education, Teil 2 | |
Im „David Letterman style“ von unten nach oben geht Alex Usher von Higher Education Strategy Associates (HESA) gemeinsam mit Robert Kelchen von der University of Tennessee durch die „Top Ten Stories in American Higher Education for 2023“. Nach den Plätzen sechs bis zehn in der vergangenen Ausgabe hier nun die Top Five.
Kelchen nennt auf Rang fünf die zunehmende Politisierung und Aufheizung jeglicher Debatten an Hochschulen. Er sieht im Wesentlichen drei Themenbereiche, nämlich „Diversity, Equity, and Inclusion (DEI)“, die Entscheidung des Supreme Court zu Affirmative Action und die zuletzt wegen des Nahost-Konflikts noch einmal verschärfte Debatte über Grenzen freier Meinungsäußerung. Während die Debatte über das letzte Thema vor allem an wenigen und sehr selektiven Einrichtungen Schlagzeilen machte aber in der Hochschullandschaft insgesamt nicht prägend sei (Politiker mögen das derzeit anders darstellen), ist gerade DEI in weiteren Bereichen relevant und auch als Konzept bzw. Label politisch umstritten, so sehr, dass das DEI-Office an der University of Tennessee auf politischen Druck hin zum Access and Engagement Office umbenannt werden musste. Affirmative Action wiederum habe direkt nur den Höhenkamm der Hochschullandschaft betroffen, indirekt aber die Hochschullandschaft insgesamt durch die aufgeworfene Frage, ob es künftig noch Programme oder Bemühungen geben dürfe, die gezielt eine bestimmte ethnische Gruppe fördere. Er schreibt: „The Supreme Court hasn’t actually decided that yet, but politicians are certainly trying to influence whether colleges still have those.”
Auf Platz vier nennt er die Veränderungen bei Management und Vermarktung von online-Bildungsangeboten, wo eine Zeitlang durch eine gewinnorientierte Marktkonsolidierung eine stärkere Profitorientierung gedroht habe, die sich aber nicht eingestellt habe. Grund dafür sei zum einen die steile Lernkurve der Gemeinnützigen (auch dank Covid) und regulatorische Bemühungen in Washington, DC. Ja, es gäbe noch einen Markt für entsprechende Dienstleistungen, aber es sei nicht die Bonanza geworden, wie sie von vielen befürchtet worden sei.
An dritter Stelle nennt Kelchen die Schließung von Hochschulen. Würde man auf die Nachrichten schauen, könne man denken, dass es viele Schließungen gegeben habe, doch pessimistische Prognosen, wonach die Hälfte aller Hochschulen innerhalb von zehn Jahren schließen müssten, hätten sich bei Weitem nicht bewahrheitet. Es habe einen leichten Anstieg bei den Schließungen privater gemeinnütziger Hochschulen gegeben, man spreche von 10 bis 15 Schließungen pro Jahr, auch die Tendenz sei steigend und bei manchen Colleges wüsste man gar nicht, wie sie noch ihren Betrieb aufrechterhalten könnten, doch insgesamt habe sich die Landschaft als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Ja, Herausforderungen wie die demografische Entwicklung müssten weiterhin im Blick behalten werden, die Zeiten des Wachstums seien auf absehbare Zeit hin vorbei und Debatten um Kürzungen von Hochschulangeboten würden weiterhin geführt, doch gewöhne man sich ein. Er schreibt mit Blick auf die Kürzung von Hochschulangeboten: „It’s gotten to the point now where the trade publications are just doing a weekly roundup of talk of program cuts. I think West Virginia helped normalize the conversation to where everyone’s asking if they’re looking at it, why shouldn’t we?”
Auf Rang zwei nennt Kelchen die versuchte Lösung der Studienschuldenproblematik durch die Biden-Administration und die Reaktion des Supreme Court, der gesagt habe: „Nein, Biden-Regierung, ihr könnt nicht pauschal Schulden erlassen!“ Daraufhin sei die Administration andere Wege gegangen, habe ein einkommensabhängiges Rückzahlungsprogramm eingeführt, das vor allem für Studierende im Grundstudium sehr großzügig sei, und man werde mit zusätzlichen Programmen dafür sorgen, dass die Mehrheit der Kreditnehmer am Ende gar nichts oder nur sehr wenig zahlen würde. Die große Unbekannte sei freilich der Ausgang der kommenden Präsidentschaftswahlen bei einer bekannten Opposition der Republikaner gegen eine Entschuldung der Darlehensnehmer.
Spitzenthema war nach Ansicht von Kelchen in 2023 die wachsende Kluft zwischen dem reichen Höhenkamm der Hochschullandschaft und den „have nots in American higher ed“. Im internationalen Vergleich sei das US-System zwar immer schon recht stratifiziert gewesen, doch sei mit der Pandemie ein Vorgang noch einmal beschleunigt worden, dessen Ergebnis neben wenigen super-selektiven und -reichen Privatuniversitäten auch staatliche Vorzeigeuniversitäten beinhalte, die in den letzten fünf Jahren zwischen 10% und 20% mehr Studierende aufgenommen hätten, während die Gesamtzahl der Studienanfänger rückläufig gewesen sei. Er schreibt: „It’s really been a shift from more regionally focused institutions and from community colleges toward the bigger name institutions. Then also a shift from the for-profit sector and community colleges toward just being in the workforce.”
Sie finden den Beitrag hier.
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Spenden und Einfluss an Hochschulen | |
Ein Beitrag in der New York Times zitiert jüngste Zahlen des Council for Advancement and Support of Education (CASE), denen zufolge US-Hochschulen im vergangenen Jahr fast $60 Mrd. an Spenden eingenommen hätten. Inflationsbereinigt hätte sich das Spendenaufkommen seit 1980 von seinerzeit knapp $15 Mrd. damit vervierfacht und mehr als 80% der zuletzt eingenommenen Summe seien zuletzt von nur 1% der Spender aufgebracht worden. Mit der zunehmenden Bedeutung von Spenden und ihrer Konzentration auf eine kleine „donor class“ ginge eine wachsende Neigung von Großspendern einher, auf die Spendenempfänger Einfluss auszuüben, wie es die jüngsten Turbulenzen zum Beispiel an der University of Pennsylvania (UPenn) und an Harvard noch einmal deutlich gemacht hätten. Es heißt: „There is a new class of donors who are often in the prime of their career, having amassed fortunes in finance or tech, who are more outspoken about politics and willing to wage war on social media to effect change.”
In der Vergangenheit sei es sicherlich vorgekommen, dass Großspender ihren Einfluss geltend gemacht hätten, wenn es um Themen wie die Leistungen des Trainers der Footballmannschaft oder um einen umstrittenen Professor ging, doch nach Einschätzung ehemaliger Hochschulpräsidenten wollten Großspender zunehmend eine größere Rolle im Universitätsleben spielen und sie nutzten mittlerweile auch aus sozialen Medien bekannte Strategien, ihre Ziel durchzusetzen. Benjamin Soskis vom Center on Nonprofits and Philanthropy am Urban Institute wird dazu mit den Worten zitiert: „The most novel part about this is the public nature of pushback. The donor class is modeling social media campaigns or even movement activism that we haven’t really seen a lot of in the past.”
Am Beispiel der UPenn verdeutlicht der Beitrag diesen Mechanismus. Marc Rowan, CEO der Investmentfirma Apollo Global Management und Vorsitzender des Beirats der Wharton Business School an UPenn, rief zuletzt öffentlich seine Mitspender dazu auf, ihre jeweiligen Spenden auf $1 runterzufahren, solange Präsidentin M. Elizabeth Magill im Amt bliebe. Magill trat zwar kurz darauf zurück, aber das habe Herrn Rowan nicht ausgereicht. Er habe in einem Schreiben an die Trustees der Hochschule eine grundlegende Änderung der Kultur an UPenn gefordert, eine Strukturreform in der Hochschulleitung und eine Stellungnahme zu einer Liste von 18 Fragen zu Themen wie „faculty, admissions, affirmative action and ‘viewpoint diversity‘.”
Sie finden den Beitrag hier.
Sie finden CASE hier.
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Antisemitismusdebatte an US-Hochschulen | |
Die Anhörung der Spitzen von drei Elite-Hochschulen vor einem Ausschuss des House of Representatives (es waren wohl mehr Präsidenten eingeladen, so etwa Minouche Shafik von der Columbia University) hat Wellen geschlagen und zu einer zwar weitgehend auf den Höhenkamm der Hochschullandschaft beschränkte (siehe ersten Beitrag, Rang fünf) Debatte um Antisemitismus an Colleges und Universitäten geführt.
Ein Beitrag in der New York Times stellt die aktuelle Debatte nun in den Kontext langjähriger Bemühungen konservativer Kreise, eine Linkslastigkeit der Hochschulen als nicht nur falsch, sondern auch gefährlich darzustellen. Sie argumentierten, dass Themen wie „social justice”, „Woke-ism“ oder was auch immer gerade als akademische Modeerscheinungen auftauche, eben nicht nur Modeerscheinungen seien und damit als harmloser Eifer toleriert werden könne, sondern dass die Universitäten und Studierenden von solchen Ideologien erstickt würden. Den lange gesuchten „Beleg“ für die grundsätzlich falsche Ausrichtung von Hochschulen hätten konservative Kreisen nun in den Protesten gegen das militärische Vorgehen Israels in Gaza gefunden. Mit der Parlamentsanhörung der drei Hochschulpräsidentinnen habe es nun auch ein unübersehbares Fanal gegeben. Magill sei zwar mittlerweile als Präsidentin von UPenn zurückgetreten (siehe oben), doch ändere das nur wenig an der Dynamik der Kritik, der sich zuletzt auch viele Demokraten anschlossen hätten, nicht nur Präsident Biden und der demokratische Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, der ebenfalls den Rücktritt Magills gefordert hätte. Es heißt weiter: „Ms. Stefanik [die wortführende republikanische Abgeordnete in der Parlamentsanhörung], in an interview on Friday with The New York Sun, predicted that all three college presidents would be forced to resign. ‘There will be tectonic consequences of this hearing, and it will be an earthquake in higher education’, she said.”
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Ein Kommentar von Fareed Zakaria wirft beim Nachrichtensender CNN den Hochschulen ebenfalls vor, sich von Zentren intellektueller Exzellenz zu Einrichtungen entwickelt zu haben, die eine wie auch immer wohlmeinende politische Agenda verfolgten. Da dürfe es einen nicht wundern, dass die Hochschullandschaft immer weiter an öffentlicher Unterstützung einbüße. Er schreibt: „The share of young adults who said a college degree was very important fell from 74% in 2013 to 41% in 2019. In 2018, 61% of Americans said higher education was headed in the wrong direction, and only 38% felt it was on the right track. In 2016, 70% of America’s high school graduates were headed for college. Now that number is 62%. This souring on higher education makes America an outlier among all advanced nations.”
Sie finden diesen Beitrag hier.
Die New York Times druckte am 12. Dezember eine Erklärung der Fellows of Harvard College und damit des mächtigeren der beiden Aufsichtsgremien von Harvard University ab, die der Präsidentin Claudine Gay in zwei jüngsten Kritikpunkten den Rücken stärkt, nämlich dem Vorwurf des Antisemitismus und den zuletzt wieder aufgekommenen Bedenken hinsichtlich ihrer akademischen Leistungen. Es heißt in der Erklärung: „As members of the Harvard Corporation, we today reaffirm our support for President Gay’s continued leadership of Harvard University. Our extensive deliberations affirm our confidence that President Gay is the right leadership to help our community heal and to address the very serious societal issues we are facing.”
Sie finden das Statement hier.
Ein weiterer Beitrag fragt auf den Wirtschaftsseiten der New York Times, ob die jüngste Welle der Kritik an Hochschulen nicht zeige, dass das dortige Führungspersonal falsch ausgewählt sei und man künftige Präsidentinnen und Präsidenten nicht auch außerhalb von Academia suchen solle. Im Augenblick sei es nach Angaben des American Council for Education so, dass 83% von ihnen entweder Akademikerinnen bzw. Akademiker oder vorher hochrangig in der Hochschulverwaltung tätig gewesen seien. Nur 1,4% hätten einen Hintergrund in Business Administration. Das Aufgabenprofil sei vor allem im Höhenkamm der Landschaft deutlich verschieden vom erwartbaren „Skill Set“ des traditionellen Führungspersonals: „Colleges and universities are now multibillion-dollar enterprises, with Harvard’s endowment standing at $50 billion and Penn’s at $21 billion. Their presidents report to boards that are often stocked with prominent business executives, and they must frequently raise money from corporate leaders. They’re also increasingly expected to deftly navigate a politically charged environment.”
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Science meldet die Verabschiedung eines Gesetzes im US-Bundesstaat Florida, das für die Beschäftigung von Graduate Students und Postdocs aus China und sechs anderen „countries of concern“ (Russland, Iran, Nordkorea, Kuba, Venezuela und Syrien) in Laboren öffentlich grundfinanzierter Hochschulen ein Genehmigungsverfahren vorsehe. Es heißt zur Reaktion aus den Hochschulen: „More than 280 faculty members at the University of Florida [UF], which has the state’s largest research portfolio, have signed a petition urging UF to clear up the confusion-and to voice support for an open-door policy on hiring.”
Sie finden die Meldung hier.
Sie finden den Gesetzestext hier.
Sie finden die Petition hier.
Ein Beitrag in der New York Times spricht von Verunsicherung bis Panik unter Fakultätsmitgliedern an den öffentlichen Hochschulen in Florida mit Blick auf die Rekrutierung von Grad Students aus China. Es heißt: „It remains unclear whether the law outright prohibits the University of Florida and other schools from hiring Chinese students. But the varying instructions given to professors in recent days have sowed uncertainty (...) just as admission committees are beginning to review graduate student applications for next year.”
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CBC meldet Änderungen in den Bestimmungen für internationale Studierende in Kanada, die zum einen bis April 2024 den Studierenden mehr als 20 Stunden pro Woche Erwerbsarbeit neben dem Studium erlauben würden, zum anderen aber die Hürden für ein Studierendenvisum erhöhten. Statt bislang Can$ 10.000 müssten mit Beginn des neuen Jahres Studierende über gut Can$ 20.000 verfügen, um ein Visum bekommen zu können. Es heißt: „Doubling of financial requirements before coming to Canada is to help students deal with the impacts of inflation, including the higher cost for food and rents.”
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Die New York Times meldet ein erwartetes Haushaltsdefizit in Kalifornien von $68 Mrd., was sich aller Voraussicht nach auch auf die Handlungsspielräume bei der Grundfinanzierung der drei öffentlich finanzierten Hochschulsysteme auswirken wird.
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