Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada. | |
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Die Themen dieser Woche:
- Nahost-Konflikt und US-Hochschulen
- Studiengebühren in der kanadischen Provinz Ontario
- Wie effizient sind Forschungshochschulen?
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
wir befassen uns dieser Ausgabe mit zwei auch an US-Hochschulen relevanten Aspekten des am 7. Oktober durch einen Terror-Überfall der Hamas auf Israel wieder aufgeflammten Nahost-Konflikts
und mit Studiengebühren in der kanadischen Provinz Ontario. Wir werfen zudem einen Blick auf die mittlerweile häufiger gestellte Frage, wie wissenschaftliche Forschung effizienter finanziert und organisiert werden könnte, und – wie immer – auf verschiedene Kurznachrichten.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
Herzliche Grüße,
Stefan Altevogt
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Nahost-Konflikt und US-Hochschulen | |
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Der am 7. Oktober durch einen Terror-Überfall der Hamas auf Israel wieder heftig aufgeflammte Nahost-Konflikt ist an dieser Stelle in seinen Auswirkungen auf die nordamerikanische Hochschullandschaft noch nicht Thema gewesen, auch weil, wie an den Auseinandersetzungen um einen von Jürgen Habermas, Nicole Deitelhoff, Rainer Forst und Klaus Günther unter dem Titel „Grundsätze der Solidarität. Eine Stellungnahme“ veröffentlichten Text erkennbar, das Thema einige Fallstricke aufweist. Zu diesen hält Omri Boehm (zuletzt in einem Interview in der Süddeutschen und zuvor (2022) auch im in der NZZ und (2015) in der NYTimes (2015) m.E. vernünftige Ansätze im Sinne von Aufklärung und Humanismus bereit, und er verlangt im Sinne der Aufklärung nach Kant eine öffentlich geführte Diskussion. Im letztgenannten Beitrag heißt es daher: „Kant defines enlightenment as ‘man’s emergence from his self-incurred immaturity,’ a process of growing up that consists in finding the ‘courage’ to think for oneself. That does not mean, however, to think by oneself, or alone. On the contrary, Kant insists that using one’s ‘own understanding’ is possible only through a ‘public use of one’s reason,’ in at least two interrelated ways.”
Sie finden den Beitrag hier.
Den Beitrag für die NZZ finden Sie hier.
Das Interview mit dem Titel „Niemand hat das Recht auf Terrorismus“ finden Sie hier.
Einen Monat nach dem Terror-Überfall der Hamas auf Israel fasste ein Beitrag im Chronicle of Higher Education die Auswirkungen auf US-amerikanische Hochschulen unter der Überschrift „The Israel-Hamas War Is Escalating. Colleges Are Caught in the Middle” zusammen. Fakultätsmitglieder, Spender und Befürworter beider Seiten des Konflikts hätten Hochschulleitungen mit Briefen, Erklärungen und Petitionen überschwemmt und sie aufgefordert, Partei zu ergreifen. Hochschulverwaltungen seien dafür kritisiert worden, dass pro-palästinensische Demonstrationen zu antisemitischen Vorfällen geführt hätten, muslimische, palästinensische und pro-palästinensische Studierendengruppen fühlten sich ebenfalls als Zielscheibe gegnerischer Attacken und nach Ansicht radikalerer Befürworter von Meinungsfreiheit solle sich Hochschulverwaltung komplett aus der Debatte raushalten. Das bisherige Ergebnis: „Campus protests over the conflict in the Middle East in recent days have resulted in screaming matches, student arrests, and, in a handful of instances, violence. At Dartmouth College, two students were arrested on trespassing charges at a pro-Palestinian protest. And a University of Massachusetts at Amherst student was arrested after punching a Jewish student and spitting on an Israeli flag during a vigil for those kidnapped by Hamas.”
Sie finden diesen Beitrag hier.
Noch problematischer, so ein weiterer Beitrag im Chronicle of Higher Education, könne die derzeitige Polarisierung für die Hochschulen mit Blick auf Großspender werden, die zum einen androhten, ihre nicht selten dreistelligen Millionenspenden zurückzuhalten und darüber hinaus ihren Einfluss in den Medien dazu nutzten, auch mögliche Spender kleinerer Summen davon abzuhalten, Einrichtungen Geld zu geben, die nicht deutlich genug die Interessen der Spender vertreten würden. Es heißt: „Since October 7, megadonors have used the press, public pressure, and crowdsourcing campaigns to gain unprecedented support from a wide network of other wealthy Americans and university alumni by threatening a sort of donor strike. Indeed, following the example set by megadonors, more than 1,600 Jewish alumni of Harvard have threatened to withhold donations because of concerns that the school has not adequately addressed antisemitism. Donors, of course, exit causes all the time, and often make a public and replicable case for doing so.”
Um den bedenklichen Einfluss des „großen Geldes“ auf US-Hochschulen zu verdeutlichen, enthält der Beitrag jüngste Zahlen des Council for Advancement and Support of Education (CASE), die für 2022 knapp $60 Mrd. an Spenden an Hochschulen ausweisen, von denen 80% von Großspendern (die obersten 1%) gekommen seien, denen in Form sog. „restricted gifts“ auch das Recht eingeräumt werde, über die Verwendung der Spendenmittel mitzubestimmen. Zum Umfang dieser Zweckbindung heißt es: „According to one recent study, a full 68 percent of money in the largest private universities is ‘restricted’ in this way.”
Sie finden diesen Beitrag hier.
Sie finden die CASE-Zahlen hier.
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Studiengebühren in der kanadischen Provinz Ontario | |
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In der vergangenen Ausgabe hatten wir einen Blick auf Erhöhungen von Studiengebühren in der kanadischen Provinz Quebec geworfen und sie mit Gebühren in der Nachbarprovinz Ontario verglichen.
In seinem Blog „One Thought to Start Your Day“ befasst sich der CEO der Higher Education Strategy Associates (HESA), Alex Usher, in dieser Woche mit der Veröffentlichung des Abschlussberichts einer von der Regierung in Ottawa eingesetzten Expertenkommission zur Frage, wie die Hochschulen der Provinz finanziell zukunftsfähig gemacht werden könnten, ohne noch deutlich höhere Deckungsbeiträge von Studierenden verlangen zu müssen. Der „Blue Ribbon Panel Report” stellt dazu fest, dass die Situation in Ontario verglichen mit dem Rest des Landes insofern besonders kritisch sei, als die Grundfinanzierung durch die öffentliche Hand mit knapp Can$7.000 pro Studierendem an Colleges nur bei 44% dessen liegt, was an Grundfinanzierung pro Studierendem an Colleges im übrigen Kanada zur Verfügung stehe. An den Universitäten würden sich die öffentlichen Ausgaben pro Studierenden in Ontario zwar auf Can$11.500 belaufen, was allerdings auch nur 57% des entsprechenden Werts im übrigen Kanada ausmache. Es heißt weiter im Bericht: „As a consequence of the low level of provincial funding, colleges are increasingly reliant on international students’ tuition fees to remain financially sustainable.”
Damit die Hochschulen finanziell wieder nachhaltig würden, fordere die Expertenkommission die sofortige Erhöhung der direkten Zuwendungen durch die Provinzregierung um 10% und in den folgenden drei Jahren um 2% oder um den Wert der allgemeinen Inflationsrate (was immer der höhere Wert sei). Die Studiengebühren sollten ebenfalls sofort um 5% steigen und in den kommenden drei Jahren im Gleichschritt mit der allgemeinen Inflation oder jeweils um 2%. Für professionelle und stark nachgefragte Studiengänge sollte die sofortige Erhöhung 8% betragen.
Als ein zentrales Argument für die Erhöhung der Deckungsbeiträge der Studierenden führe der Blue Ribbon Panel Report an, dass die Gebühren in Ontario unter dem nationalen Durchschnitt lägen, was nach Ansicht von Usher allerdings schwer zu überprüfen sei, da es keine öffentlich zugänglichen und national vergleichende Studiengebührendaten für Hochschulen gäbe, sondern lediglich eine jährliche und geheime Erhebung sog. „base fees” durch die Provinzen, die, wie er vermute, nicht viel mit durchschnittlichen Werten der Studiengebühren zu tun hätten.
Um den Anstieg der Studiengebühren auszugleichen, würden Regeln für die finanzielle Unterstützung der Studierenden vorgeschlagen, wozu es heißt: „The panel offered a variety of potential rule changes, some good (eliminating the requirement that a minimum of 10% of aid come in the form of a loan), some not so good (eliminating interest on loans).“
Usher geht auch auf einen Aspekt des Berichts ein, der von den Adressaten vielleicht nicht wertgeschätzt würde, doch mit Blick auf die Frage der Effizienz von Hochschulen immer wieder eine Rolle spiele, nämlich das Verhältnis von Gehalts- und Sozialleistungskosten in den Stellenkegeln der Hochschulen pro Vollzeitäquivalent bei den Studierenden. Hier läge Ontario deutlich unter den landesweiten Durchschnittskosten, was aber auch den Größenvorteilen der vielen großen Universitäten in der Provinz zuzurechnen sei. Er schreibt: „I doubt the Government will mentally take this on board, but glad the panel made the point anyway.”
Sie finden den Beitrag hier.
Sie finden den Blue Ribbon Panel Report hier.
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Wie effizient sind Forschungshochschulen? | |
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Gäbe es intelligentes Leben außerhalb der Erde und würde dieses intelligente Leben Forschung betreiben, so ein Beitrag im Economist, dann wären zwar aufgrund der universellen Geltung der Naturgesetze die Ergebnisse vergleichbar, nicht aber die Wege, wie Erkenntnisgewinne erzielt würden. Es heißt: „It would be remarkable if the little green men [also außerirdische Intelligenz] had invented universities, funding committees, a tenure system and all the other accoutrements of modern academic life.”
Hintergrund des Beitrags sind Untersuchungen wie die durch Michael Nielsen und Kanjun Qiu vom Massachusetts Institute of Technology, die einen drastisch gesunkenen Ertrag – gemessen in Zitationen und Patenten – eingesetzter Forschungsmittel feststellten, zwischen 1945 und 2010 um 90% bei den Zitationen und um 80% bei den Patenten. Zu einem möglichen Ausweg wird Nielsen mit den Worten zitiert: „The main thing I’d like to see is far more diversity in how we fund and organise research.”
Sie finden den Beitrag hier.
Sie finden ein Paper von Nielsen und Qiu aus dem vergangenen Jahr mit dem Titel „A Vision of Metascience: An Engine of Improvement for the Social Processes of Science“ hier.
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Der Chronicle of Higher Education meldet die Wahl von Bill Johnson zum nächsten Präsidenten der Youngstown State University im US-Bundesstaat Ohio durch den Hochschulrat dadurch verursachte Proteste einiger Studierender, Fakultätsmitglieder und Ehemaliger. Grund der Proteste sei das Verhalten von Johnson im Januar 2021, als er als Kongressabgeordneter gegen die Zertifizierung der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten und damit gegen das Ergebnis eines demokratischen Prozesses gestimmt habe.
Sie finden die Meldung hier.
Inside Higher Education meldet die Androhung des Verlusts der Akkreditierung der Zayed University in den Vereinigten Arabischen Emiraten durch die Middle States Commission on Higher Education, sollte die Hochschule nicht deutlich machen können, warum die Zulassung aufrecht zu erhalten sei. Es heißt: „A statement from Middle States Monday said that Zayed must show why its accreditation should not be withdrawn. It did not say why the institution faces that demand, but notes that the reasons for a show-cause order can include failure to make sufficient progress toward compliance, demonstrating a lack of integrity that could harm students, or facing imminent closure.”
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Inside Higher Education befasst sich mit der Initiative der gemeinnützigen Organisation „Complete College America“, die sich mit der Frage befasst habe, wie sich mithilfe künstlicher Intelligenz Studienzugang und Studienerfolg erfolgreich auf Bereiche der Gesellschaft ausdehnen ließen, die bislang nur wenig integriert seien. Es heißt: „Complete College America’s 78-page playbook and accompanying equity paper offers specific steps for institutions that the group says can help boost college attainment and close equity, race and socioeconomic gaps. The playbook and paper mention over 200 uses for AI, from identifying students who need support to mining datasets.”
Sie finden den Beitrag hier.
Das Playbook finden Sie hier.
Ein begleitendes Paper mit dem Titel „The AI Divide: Equitable Applications of AI in Higher Education to Advance the Completion Agenda“ finden Sie hier.
Inside Higher Eduction meldet die Entscheidung der Commission on Presidential Debates zu den Orten der drei Presidential Debates und der einen Vice Presidential Debate im Wahlkampf im kommenden Herbst. Die erste Dabatte werde am 16. September an der Texas State University at San Marcos durchgeführt, die zweite am 1. Oktober an der Virginia State University und die dritte am 9. Oktober an der University of Utah. Die Debatte der sog. „Running Mates“ werde am 25. September am Lafayette College in Pennsylvania durchgeführt, dessen Präsidentin, Nicole Hurd, zur Bedeutung der Debatten mit den Worten zitiert wird: „We are delighted to open our campus for this important part of our nation’s democratic process and help bring this debate to the American electorate.”
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Nach der in den Medien weithin beachteten „Begnadigungen“ von jeweils zwei Truthähnen zu Thanksgiving durch den US-Präsidenten, werde es laut Chronicle of Higher Education in der Regel still um die Tiere. Der Chronicle ändert dies in diesem Jahr mit einem Beitrag zu den von Joe Biden jüngst am Leben gelassenen zwei Turkeys und schreibt: „This year, presidential turkeys Liberty and Bell will be retiring to the University of Minnesota-Twin Cities where the faculty of the College of Food, Agricultural, and Natural Resource Sciences has been preparing for months to receive them.”
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